Ausverkauft
Donnerstag
29.12.
2022

Die Weihnachts-Blitz-Tournee 2022

EXTRABREIT – ausverkauft

Die Erfinder des deutschen Pop-Punks wieder auf Weihnachts-Tour. (Der Nachholtermin von Dezember 2020/Dezember 2021; Tickets bleiben gültig.)
MusikZentrum
Einlass: 19:00h  Beginn: 20:00h
VVK: AUSVERKAUFT  AK: AUSVERKAUFT

Im Video des bereits 2019 nur auf YouTube veröffentlichten Lebenszeichens „War das schon alles?“ sieht man die Band Extrabreit über die sonnenbeschienenen Zufahrtsstraßen zum Festivalgelände in Wacken rattern, im Zeitraffer werden die Busse entladen, das Catering verspeist und mal eben eine zigtausendköpfige fröhliche Masse bespielt, bevor im Hotelaufzug ein Tänzchen hingelegt wird. Auch als Nichtmusiker kann man sich diesem Klassenfahrtgefühl nicht entziehen, das aufkommt, wenn dazu Kai Havaiis ebenso trotzige wie altersweise Zeilen den Kreis rund machen: „Die Experten blähen die Nüstern und flüstern: Bald ist es aus! / Ich trink ‘nen Kaffee und lass sie sabbeln und mach das Fenster auf …“

Nun ist es ja kaum möglich, bei der Beschreibung des Phänomens Extrabreit ohne das böse N-Wort auszukommen. Die von der bundesdeutschen Plattenindustrie spät aber dafür umso reißerischer und skrupelloser ausgerufene Neue Deutsche Welle hatte die zu dieser Zeit schon seit drei Jahren existierende Pub Rockband mit sich gerissen und ihr zweifellos in einer zwei Alben währenden Phase ein exorbitant großes Publikum vor die Marshalltürme geworfen. Was einen gar nicht zu vermeidenden erfolgsmäßigen Sturzflug bis hin zum scharenweisen Liebesentzug zur Folge hatte, an dem die Band aber nicht annähernd so hart zu knuspern hatte wie an dem NDW-Stempel selber und dem weitverbreiteten Eindruck, es handele sich um ein Relikt aus dieser regelmäßig auf Aprés-Ski-Niveau abgefeierten Zeit. Das hat die Band durch Besinnung auf ihre Identität als Live-Combo überlebt.

Auf die Frage, warum es Extrabreit noch gibt, erhält man stoisch die Antwort: „Das liegt einfach daran, dass wir immer noch leben“. Gut und schön, aber gut beatmete Halbleichen im Schaufenster des „Ach, was war das früher schön“-Rock-Theaters gibt es beileibe genug, und ein neues Extrabreit-Album hätte zu anderen Zeiten und in anderen Aggregatzuständen durchaus eine blasse oder traurige Angelegenheit werden können. Jedoch: Die letzten Jahre mit beständigen Konzertreihen, aber mit genügend Abstand und anderen Tätigkeiten haben der Band gutgetan. Dass sie live eine Macht sind, davon konnte man sich nicht nur auf ihren Weihnachts-Blitztourneen (einem rund einen Monat andauernden Spektakel in größeren, stets ausverkauften Clubs) überzeugen.

In der Extrabreit-freien Zeit macht Gitarrist Stefan Kleinkrieg auch weiterhin Musik („Album „Abgelehnt“, 2019), Schlagzeuger Rolf Möller arbeitet als Veranstalter und die neuen Eckpfeiler der Band (seit 2002), Lars Larsson am Bass, der das Durchschnittsalter der Jungs drastisch senkt, und Gitarrist Bubi Hönig, der „Brasilianer“ der Band und natürlich Kai Havaii, der mit seinem erfolgreichen Kriminalroman „Rubicon“ ein komplett neues Kapitel aufgeschlagen hat. Der exzellent recherchierte und toll geschriebene Schinken lässt mehr als einmal erkennen, warum dieser Mann so gute Rock ’n‘ Roll-Texte schreibt: „Liebling, die Welt wie wir sie kennen / sie wird brennen bis zur Glut / … es wird ein langer kalter Winter“. Doch nicht nur er hat was zu erzählen, die Worte verschmelzen völlig unverkrampft und scheinbar mühelos mit den Musiken seines Zwillings Kleinkrieg – irgendwie gemahnt das auch an Social Distortion zu ihren besten „White Light White Heat White Trash“-Zeiten. Selten hat man schönere in Punkrock gegossene Melancholie in deutscher Sprache gehört: „Du und ich, wir waren so ein schönes Paar im Mai / Im Juni war die Hitze aus, im September war‘s vorbei …“.

„Auf Ex“, das erste Studioalbum seit zwölf Jahren wurde nun aufgenommen und produziert von Michael Danielak und Franky Kühnlein im Backyard/Schallsucht-Studio Hagen – und Hagen spielt hier sogar eine größere Rolle, als das bei den Texten des Wahl-Hamburgers Havaii früher der Fall war: „Da wo ich geboren bin / zieht es keine Hipster hin / … wo man hinschaut zerbrochene Träume“. So gab es den Opener „Die Fressen aus dem Pott“ schon mal vorab als Single. „Wir werden nicht in Schönheit sterben und diese auch niemals vererben / Wir sind die Fressen aus dem Pott, so gemacht vom lieben Gott …“ Selbstreflektierendes wie „Vorwärts durch die Zeit“, wo das Altern als Band oder Privatperson so nonchalant thematisiert wird, wie es eben genau dieser Havaii‘sche Tonfall hergibt, wird hier niemals schwülstig, da der Sänger es schafft, Positives wie Negatives gleichzeitig zu empfinden und das auch noch in ein paar Four-To-The-Floor-Zeilen zu transkribieren.

Veranstalter: Living Concerts in Kooperation mit Block Musik

Photocredit: Daniel Pilar

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